Der "vergessene" Altersvorsorgeunterhalt
Der "vergessene" Altersvorsorgeunterhalt

Der "vergessene" Altersvorsorgeunterhalt

Zugleich ein Beitrag zur Abänderung titulierter Unterhaltsansprüche

Beitrag, Deutsch, 7 Seiten, Hermann Luchterhand Verlag GmbH

Autor: Dr. Eberhard Jüdt

Erscheinungsdatum: 2016

Quelle: FuR Familie und Recht 1/2016, S. 2

Seitenangabe: 2 - 8


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Der Altersvorsorgeunterhalt und seine haftungsrecht­lichen Tücken waren Gegenstand eines jüngst in der FuR erschienenen Beitrags.[1]
Hieran soll angeschlossen und der Blick auf den »verges­senen« Altersvorsorgeunterhalt gerichtet werden, nachdem die Ent­scheidung des BGH v. 19.11.2014[2] aufgezeigt hat, mit welchen erheblichen prozessua­len Problemen das Nachfordern von verges­senem Unter­halt einhergehen kann.[3]
Deshalb geht es im Nachfolgenden auch nicht allein um den Altersvorsorgeunterhalt: Dieser steht nur vordergründig betrachtet im Mittelpunkt dieses Bei­trags, kann aber als »Platz­halter« für jedweden titu­lierten Unterhaltsanspruch begriffen werden, der, so­weit er nicht ausnahmsweise auf Zahlung rückständi­gen Unterhalts gerichtet ist, in sich das Risiko einer Prognoseent­scheidung trägt, weil er sich auf­grund der Veränderung der Einkommens- und Lebensver­hältnisse, der Ände­rung der höchstrichterlichen Recht­sprechung wie auch der Rechtslage als unrichtig erweisen kann.
Allen Prognoseentscheidungen ist, wenn sie sich aufgrund nachträglich eingetretener Änderungen als nicht mehr tragfähig erweisen, gemeinsam, dass sie – je nach Interessenlage – vom Gläubiger oder Schuld­ner eines Unterhaltsanspruchs mit dem Ziel zur Über­prüfung gestellt werden können, dass eine Korrektur vorgenommen und eine neue Prognoseentscheidung getroffen wird.
Prognoseentscheidungen verbindet ferner, dass ihre Korrektur grds. nur verlangt werden kann, wenn die Gründe, auf die sie gestützt werden, solche sind, die bei der Erstentscheidung keinen Eingang (mehr) finden konnten.
Beim ausgeurteilten Unterhalt ergibt sich dies un­mittelbar aus § 238 Abs. 2 FamFG, wonach nur Gründe eine Korrektur der Prognoseentscheidung rechtfertigen, »die nach Schluss der Tatsachenver­handlung des vorausgegangenen Verfahrens entstan­den sind und deren Geltendmachung durch Einspruch nicht möglich ist oder war«. Klargestellt wird mit dieser grds. verschuldensunabhängigen[4] und allenfalls in Fällen der Arglist[5] ausnahmsweise nicht anzuwenden­den Präklusionsvorschrift, dass mit dem Abände­rungsantrag die Überprüfung einer Prognoseentschei­dung nur verlangt werden kann, wenn es sich um Veränderungen handelt, die nach der Zeitschranke des § 238 Abs. 2 FamFG eingetreten sind und damit bei der Erstentscheidung keine Berücksichtigung mehr finden konnten. Diese Einschränkung der Prognose­korrektur dient dem Schutz der Rechtskraft, weil eine Über­prüfung der Erstentscheidung mit dem Abände­rungs­antrag nicht der nachträglichen Korrektur anwalt­licher Sorglosigkeit[6] oder der von Rechtsfehlern des Erstge­richts dient und auch keine weitere »Rechtsmit­telin­stanz« ermöglichen soll,[7] sondern nur dem Ziel dient, den »Weg zu einer materiell gerechten Ent­scheidung zu eröffnen«.[8]
Ohne Vorliegen einer – im Übrigen »wesentlichen«[9] – Veränderung nach der Zeitschranke des § 238 Abs. 2 FamFG kann eine rechtskräftige Erstentscheidung so falsch sein, wie sie will: Ein Abände­rungs­antrag, der an der Präklusion scheitert, wird keinen Erfolg haben. Und etwa hier­durch entstehende Härten sind hinzunehmen, weil die mit der Rechtssi­cherheit und dem Rechtsfrie­den verbundenen Folgen letztlich einen höheren Stellen­wert haben als die materielle Gerech­tigkeit, um deren Herstellung es bis dahin gegangen ist.[10]
Dies gilt – jedenfalls vom Ergebnis her betrachtet – nicht nur für den ausgeurteilten, sondern auch für den titulierten verglichenen Unterhalt, auf den in diesem Beitrag aber nicht näher eingegangen werden soll. Nur so viel sei an dieser Stelle angemerkt:
Die Präklusion des § 238 Abs. 2 FamFG erweist sich in Abänderungsfällen des § 239 FamFG (Abänderung von Vergleichen und Urkunden) als »Risikosphäre«. Auch wenn ein Abänderungsbegehren nach § 239 FamFG nicht an der Zeitschranke des § 238 Abs. 2 FamFG gemessen wird und eine Präklusion i.e.S. ausscheidet, weil sich in diesen Fällen die Vorausset­zungen und der Umfang der Abänderung nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts richten (§ 239 Abs. 2 FamFG), darf insb. bei Unterhaltsvergleichen ein Abänderungsverlan­gen gleichwohl nicht auf Um­stände gestützt werden, die beim Vergleichsabschluss bekannt waren oder doch zumindest erkennbar gewe­sen sind. Damit sind Unterhaltsvereinbarungen den Grundsätzen der gestörten Geschäftsgrundlage unterworfen, also darauf hin zu überprüfen, ob der Vereinbarung eine Geschäftsgrundlage zugrunde lag, die zum Zeitpunkt der Vereinbarung gefehlt, sich nachträglich verändert hat oder insgesamt in Wegfall geraten ist. Wer aber bei Vergleichsabschluss sehen­den Auges für die Berechnung des  Unterhalts maß­gebliche Umstän­de ausgeblendet hat, dem darf das hierdurch einge­gangene Risiko auch nicht über § 239 FamFG abge­nommen werden, weil »die auf der Un­gewissheit über die Entwicklung der künftigen unter­haltsrechtlichen Gesetzgebung und Rechtspre­chung beruhenden Risiken (grds.) bei dem Beteiligten zu verbleiben haben, bei dem sie sich verwirklichen«.[11]

 
[1] FuR 2015, 622.
[2] BGH, FuR 2015, 157.
[3] Nichts anderes gilt für die Korrektur von zu Lasten des Mandanten falsch errechnetem Unterhalt.
[4] OLG Düsseldorf, FamRZ 1979, 803, 804.
[5] BGH, FamRZ 1997, 483, 484.
[6] Eine »unsorgfältige Prozessführung kann nicht über § 323 ZPO besei­tigt werden« (OLG Köln, FamRZ 2009, 448, 449). 
[7] BGH, FamRZ 2015, 1694 [19].
[8] BGH – GS, FamRZ 1983, 22, 24.
[9] »Wesentlich« ist eine Änderung dann, wenn sie in einer nicht unerheblichen Weise zu einer anderen Beurteilung des Bestehens, der Höhe oder der Dauer des Unterhaltsanspruchs führt (BGH, FamRZ 1984, 353 [12]). Als »Richtschnur« (Schulte-Bunert/Weinreich/Klein FamFG 4. Aufl. 2014, § 238 Rn. 5) kann regelmäßig eine Veränderung von etwa 10% des Unterhaltsanspruchs als wesentlich angesehen werden (OLG Karlsruhe, FuR 2015, 247 [77]). Bei beengten wirtschaftlichen Verhältnissen kann dieser Prozentsatz aber auch »deutlich unterhalb einer Schwelle von etwa 10%«  liegen (BGH, FamRZ 1992, 539 [16]).
[10] Schilken, Zivilprozessrecht, 7. Aufl. 2015, Rn. 998.
[11] BGH, FamRZ 2015, 734 [27] für den Fall der Störung der Geschäfts­grundlage bei einer Vereinbarung über einen unbefristeten und »abände­rungsfesten« Ehegattenunterhalt infolge Änderung der Rechtslage.

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