Plug-and-work funktioniert am Band
Plug-and-work funktioniert am Band

Plug-and-work funktioniert am Band

Produktionsnahe IT-Systeme werden intelligenter und komfortabler

Beitrag, Deutsch, 3 Seiten, VDMA Verlag GmbH

Autor: Dr. Olaf Sauer

Erscheinungsdatum: 2008

Quelle: Intelligenter Produzieren

Seitenangabe: 8-10


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Plug-and-work funktioniert an Band

1. Übersicht
Produktionssysteme werden laufend angepasst, weil sich Änderungen an den Produkten ergeben, Kapazitäten aufgrund schwankender Bedarfe neu justiert werden müssen oder rationellere Fertigungstechnologien eingesetzt werden. In der Praxis führen Änderungen an Produktionsanlagen zum räumlichen ‚Verschieben’ von Anlagen innerhalb eines Werkes sowie zu Anpassungen an der steuernden Software von Maschinen und Anlagen.
Aufgrund der spezifischen Anforderungen an Produktionsanlagen existiert heute eine nahezu unübersehbare Vielfalt an Maschinensteuerungen, Softwareversionen und überlagerten IT-Systemen („Manufacturing Execution Systeme - MES“). Bei Änderungen an den Anlagen muss diese Software stets mit angepasst werden, was in der produzierenden Industrie zu hohen manuellen Aufwendungen führt.
Die Vision des Fraunhofer IITB liegt darin, etwas ähnliches wie die bekannte universelle Schnittstelle am Personal Computer (Universal Serial Bus – USB) für die Produktion zu entwickeln – mit dem Unterschied, dass die Rahmenbedingungen und Anforderungen dort erheblich komplexer sind als am PC.

Nach Erfahrungen des IITB in der Mercedes C-Klasse Fertigung mit seinem Leitsystem ProVis.Agent®, an das rd. 450 SPSen angeschlossen sind und das rd. 1.000 Prozessführungsbilder verwaltet, liegt der manuelle Projektierungsaufwand bei rd. 30-40% des Gesamtaufwandes für eine solche Softwarelösung. Von diesen zudem fehleranfälligen ‚Fleissarbeiten’ der Projektierung können durch »Plug-and-work« rd. 80% eingespart werden. Damit stärken heimische Maschinen- und Anlagenhersteller und die Betreiber von Produktionssystemen ihre Wettbewerbsfähigkeit und sichern letztlich Arbeitsplätze in Deutschland.

2. Ausgangssituation: Änderungen in der Produktion sind der Normalfall
Produktionssysteme werden laufend angepasst, weil sich Änderungen an den Produkten ergeben, Kapazitäten aufgrund schwankender Bedarfe neu justiert werden müssen oder rationellere Fertigungstechnologien eingesetzt werden. CIRP, die weltweit führende Organisation produktionstechnischer Wissenschaftler, bezeichnet diese Fähigkeit zur permanenten Änderung als einen strategischen Wettbewerbsvorteil von Fabriken und Produktionssystemen [1].
In der betrieblichen Praxis führen Änderungen an Produktionsanlagen nicht nur zum räumlichen ‚Verschieben’ von Anlagen innerhalb eines Werkes, sondern auch zu Anpassungen an der steuernden Software von Maschinen und Anlagen. Damit ist auch die Informationstechnik betroffen, die den unmittelbaren Anlagensteuerungen überlagert ist und die z.B. automatisierte Anlagen überwacht oder die Belegung einzelner Anlagen mit Arbeitsgängen plant und steuert.
Aufgrund der spezifischen Anforderungen an die Anlagentechnik, die sich aus den vielfältigen Fertigungsaufgaben ergeben, existiert heute eine nahezu unübersehbare Vielfalt an Maschinensteuerungen, Softwareversionen und überlagerten IT-Systemen. Bei Änderungen an den Anlagen muss diese Software stets mit angepasst werden.

3. Stand des Engineerings produktionsnaher IT-Systeme
In der industriellen Produktion entstehen Daten in den unterschiedlichen Ebenen der Fertigung. Von der Feldebene über die Leitebene bis zur Planungsebene existieren Systembrüche. Der Informationsaustausch wird durch viele unterschiedlicher Bussysteme, Kommunikationsprotokolle und Netzwerktechnologien erschwert. Daher werden die in den verschiedenen Systemen anfallenden Datenbestände vielfach nicht genutzt oder doppelt er-fasst.
Am Beispiel von OPC ist der IST-Zustand in heutigen Unternehmen mit seinen Systembrüchen und manuellen Eingriffen in Bild 1 dargestellt. Zur Kommunikation zwischen Maschine und MES ist zunächst die IP-Adresse der einzubindenden Steuerung im Netzwerk zu veröffentlichen. Danach muss der steuerungsspezifische OPC-Server dem Client, auf dem die betriebliche Anwendung läuft, bekannt gegeben werden. Im nachfolgenden Schritt sind aus dem vom OPC-Server bereitgestellten Variablenhaushalt über einen Browser alle relevanten Variablen manuell auszuwählen und mit dem vorab erstellten Prozessabbild zu verbinden. Die aktuelle Situation ist also gekennzeichnet durch eine überwiegend manuelle Projektierung sowie manuelle Konfigurationen von Anlagensteuerungen und übergeordneten IT-Systemen.

4. Hausstandards etablieren sich
Aufgrund fehlender industrieller Standards zur durchgängigen und herstellerübergreifenden Bezeichnung und Semantik von Anlagenvariablen und –inhalten haben Anwender und Betreiber von Produktionssystemen inzwischen begonnen, eigene, hausinterne ‚Standards’ zu definieren und einzusetzen. Ein Beispiel für diese Hausstandards großer Anlagenbetreiber ist der Daimler-Standard „Integra“.
Dieser Standard beeinflusst
- Komponenten, z.B. SPSen, Antriebe, etc.,
- Automatisierungsfunktionen, z.B. ProfiNet,
- Anlagen-Diagnosekonzept, z.B. Anlagenvisualisierung,
- Verteilung an Standorte und Anlagenlieferanten,
- Support, z.B. 1st, 2nd, 3rd level und
- ein Trainingskonzept der Mitarbeiter.

Die Komponentenstandardisierung umfasst dabei unter anderem
- Vorgaben für SPS-Funktionsbausteine und
- Namenskonventionen für SPS-Variable. 
Aufgrund des Nutzens eines solchen Standards für Anlagenbetreiber ist es absehbar, daß andere Betreiber Ähnliches entwickeln. Aus diesen ‚Hausstandards‘ ergeben sich gravierende Auswirkungen für Maschinen-/ Anlagenhersteller, und zwar bezüglich
- Bezeichnung von SPS-Variablen und –Bausteinen,
- zu verwendende Anlagenkomponenten,
- Investitionen in Engineering- (CAE-) und Anlagensoftware,
- zu verwendenden Automatisierungssystemen,
- Vorgehen bei mechanischer und elektrischer Konstruktion,
- Art und Werkzeuge der Steuerungsprogrammierung.
Schwierigkeiten bereiten die ‚Hausstandards’ zunehmend den Maschinen- und Anlagenlieferanten, die sich jedem ihrer Kunden bezüglich der Software und deren Integration in die Infrastruktur neu anpassen müssen. 

5. Ergebnisse der bisherigen IITB-Arbeiten: Methode des durchgängigen Engineerings von der Planung bis zum Betrieb
5.1 Laufende Standardisierungsaktivitäten
Ein aktueller VDI-Fachausschuss (Leitung Fraunhofer IITB) „Schnittstellen zwischen MES und Maschinenebene“ hat zum Ziel, die auszutauschenden Inhalte zwischen Produktionsanlagen und MES-Systemen zu definieren. Dabei geht es zunächst darum, eine Menge von Bezeichnern festzulegen, die rd. 80% der Anbindungen zwischen MES und Anlagen abdecken.
Wichtig ist den Mitgliedern des Fachausschusses, vorliegende Branchenstandards, z.B. den Weihenstephaner Standard für Getränkeabfüllanlagen, zu nutzen und darauf aufzubauen.
Neben den Aktivitäten des VDI arbeitet das Fraunhofer IITB an einer Methode zur automatischen Identifizierung von Anlagenbeschreibungen und deren Anbindung an MES-Komponenten. Die Kernkomponenten dieser Methode werden im folgenden vorgestellt.

5.2 Automatisches Erkennen von Maschinen und Anlagen im MES
Grundidee dieses Ansatzes ist es, Daten, die zur Projektierung von MES-Systemen erforderlich sind, in einem neutralen Austauschformat aus verschiedenen Engineering-Systemen, die Maschinen- und Anlagenhersteller nutzen, auszulesen und der MES-Projektierung zur Verfügung zu stellen, und zwar weitestgehend systemunabhängig.
Dazu sind möglichst existierende Standards zu nutzen. Das Fraunhofer IITB hat sich dabei für zwei gängige Industriestandards entschieden: zur Beschreibung der statischen Eigenschaften von Produktionsanlagen nutzt das IITB CAEX (Computer Aided Engineering Exchange) nach IEC PAS 62424 [2] und OPC-UA für dynamische Komponenten.
Dazu stellen Maschinen- und Anlagenbauer Beschreibungen ihrer Anlagen aus mechanischer und elektrischer Anlagenkonstruktion sowie der Steuerungsprogrammierung als beliebige Beschreibungen zur Verfügung. Diese herstellerspezifischen Daten können zusätzlich angereichert werden um Informationen, die der Anlagenbetreiber liefert, und zwar aus den Werkzeugen seiner übergreifenden Elektroplanung sowie seiner Materialfluß- und Layoutplanung. Damit ist eine durchgängige Engineering-Kette [3] von der mechanischen Konstruktion über die E-Planung bis zur MES-Projektierung geschaffen.
Falls Layouts bereits in ‚strukturierter Form‘ vorliegen - d.h. deren Elemente sind als einzeln adressierbare Objekte abgelegt – werden aus Layouts zielgerichtet Elemente für Anlagenvisualisierungs- bzw. Prozeßführungsbilder abgeleitet. Auch diese Daten können zunächst in einem beliebigen, proprietären XML-Format abgelegt sein. Das IITB stellt für diese ‚Rohdaten‘ einen Treiber bereit (siehe Bild 2), der sie in CAEX übersetzt, einschließlich einheitlicher Struktur- und Semantikinformationen der Produktionsanlagen. Eine Middleware übersetzt dann die CAEX-Daten in eine systemunabhängige CAEX-Datei, die als globaler Namensraum eines OPC-UA-Servers dient. Außerdem setzt die Middleware die CAEX-Informationen in MES-relevante Informationen um; beliebige MES-Systeme können dann entweder mit Hilfe eines Viewers die für sie relevanten Daten aus der Middleware auslesen oder die für ihre Projektierung erforderlichen Daten anfordern.
Visualisierungsrelevante Daten werden gesondert ‚behandelt‘, so daß beispielsweise Prozeßführungsbilder automatisch aus den CAEX-Informationen generiert werden. Damit leistet das entwickelte Verfahren tatsächlich einen Beitrag zur Wandlungsfähigkeit der Fabrik im Sinne der Definitionen von [1].

Den Nachweis, daß dieses Verfahren nennenswerte Engineering-Aufwendungen auf Seiten des Anlagenbetreibers einspart, hat das IITB am Beispiel seines Produktionsleitsystems ProVis.Agent® bereits erbracht. Mit der beschriebenen Methode können Maschinen- und Anlagenhersteller beliebige ‚Hausstandards‘ ihrer Kunden bedienen, ohne sich aufwendig an diese anzupassen.

Dr. Olaf Sauer

DE, Karlsruhe

stv. Institutsleiter

Fraunhofer Institut für Optronik, Systemtechnik und Bildauswertung IOSB

Publikationen: 32

Veranstaltungen: 6

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